SPÖ-Frauen im Dilemma
Mit September 2010 begann im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz die Arbeitsgruppe „Obsorge und Besuch” zu arbeiten. War im ersten Gesetzesentwurf des BMJ die Doppelresidenz nur implizit verankert (die Eltern sollten anlässlich der Scheidung nach deutschem Modell lediglich einen Aufenthalt angeben müssen, wodurch auch eine gleichteilige Aufteilung möglich wäre) wurde in Folge den Eltern die Möglichkeit der beidseitige Betreuung des Kindes ausdrücklicher eröffnet. Das Wort Doppelresidenz wurde bis zum Schluss wie eine „Eiterbeule” behandelt. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe meinte bei der letzten Sitzung, bei der das Thema Doppelresidenz explizit behandelt wurde, „das ist heute das letzte Mal, dass ich dieses Wort überhaupt in den Mund nehme.” So vorsichtig in den jeweiligen Gesetzesentwürfen auch immer mit dem Thema Doppelresidenz umgegangen wurde, so blieb die Möglichkeit der gleichteiligen Betreuung doch inhärenter Bestandteil der Entwürfe.Bis … Ja bis sich beim letzten, von der Arbeitesgruppe diskutierten Entwurf im Jänner 2012 (ein Phänomen der Arbeitsgruppe, war, dass sie zwar Entwürfe immer wieder diskutierte, die Entwürfe aber in vielen Fällen nicht primär Ergebnis der Arbeitsgruppe, sondern politischen Einflüssen zu verdanken waren), ein grundsätzlicher Wandel vollzogen hatte und ein wesentliches Element der Doppelresidenz völlig ausgehebelt wurde.
Im letzte Entwurf wurde den Eltern die Möglichkeit eine gleichteilige Betreuung des Kindes vom Gericht beschließen zu lassen, ausdrücklich genommen. Ab sofort sollte nur mehr eine „nahezu gleichteilige” Betreuung erlaubt sein. Weiters sollten die Eltern gezwungen sein zu vereinbaren bei welchem der Eltern der Hauptwohnsitz des Kindes festgelegt werden muss. In den Erläuterungen zu diesem in § 177 Absatz 3 festgelegten Neuerungen fand sich dazu folgende Begründung: „Es soll den Eltern daher nicht möglich sein, ein Wechselmodell zu vereinbaren, um etwa dem Streit um die hauptsächliche Betreuung des Kindes oder gar der Leistung von Geldunterhalt aus dem Weg zu gehen.
Bei allen unterschiedlichen Auffassungen zum Thema Obsorge und Besuch gibt es doch, quer durch alle unterschiedlichen Berufsgruppen, einen Konsens. Den, dass Streit so gut wie möglich vermieden werden muss, da er zum belastendsten Faktor für Nachscheidungskinder an sich zählt. Das Bundesministerium nun aber erhob genau diesen Streitfaktor zum Prinzip und verankerte ihn, wider jeglicher Vernunft, sogar im Gesetz. Ganz nach dem Motto: „Wollt ihr Eltern auch einem Streit aus dem Weg gehen – mit uns sicher nicht. Ihr könnt zwar nach wie vor außergerichtlich jegliche Vereinbarung treffen, unkontrolliert und fern jeder Beratung, aber wenn ihr Rechtssicherheit haben wollt müsst ihr vorher streiten.”
Nun, wie kam es dazu? Und welche Kräfte stehen dahinter? In keiner der Argeitsgruppen wurde so ein Vorschlag unterbreitet, geschweige denn diskutiert. Ein Blick auf die offizielle homepage der SPÖ Frauen Steiermark (eine Unterabteilung des BMJ für Frauen, Heinisch-Hosek) bringt dabei durchaus Erhellendes an den Tag. Anlässlich einer Podiumsdiskussion am 17.Juni 2011 positionierten sich die SPÖ-Frauen ganz entschieden gegen die Abschaffung eines hauptsächlichen Aufenthaltes. „Eine Doppelresidenz”, so die weiteren Ausführungen auf der homepage „könnte auch dazu führen, dass dann weniger Unterhalt gezahlt werden muss”, (12) womit wir wohl beim zentralsten Motiv angelangt sind. Die Frauenministerin traut den Müttern nicht zu über eine so zentrale Frage der Lebensgestaltung selbst zu entscheiden. Frauen werden nach wie vor a priori als Opfer definiert. Weder wird ihnen zugetraut, bei einem Mißstand das Gericht anzurufen und sich Hilfe zu holen, noch wird der Gerichtsbarkeit und den sonstigen Behörden zugetraut, in einer solchen Situation für den nötigen Schutz der Mütter zu sorgen. Schon gar nicht aber wird daran gedacht, dass Frauen ihre Macht (und es werden nach wie vor hauptsächlich die Mütter sein, die bevorzugt den hauptsächlichen Aufenthalt zugesprochen bekommen werden) ausnützen könnten und Väter damit in die zweite Reihe setzen, sie erpressen und vom Kind fernhalten können.
An dieser Stelle ein Zitat einer Mutter die mit ihren Kindern die Doppelresidenz lebt:
„Ein paar abschließende Gedanken aus feministischer Sicht:
Gerade für Frauen ist es wichtig nicht nur in ihre Mutterrolle gedrängt zu werden. Frauen haben sehr wohl auch das Recht auf einen Job und auf Zeit für sich selbst. Diese können sie wesentlich leichter haben, wenn sie auch nach der Trennung den Vätern die halbe Verantwortung für die Kinder überlassen, vorausgesetzt, diese übernehmen sie auch.
Das automatische „die Kinder gehören zur Mutter” ist zwar vielleicht zu Beginn ein Machtgewinn, stellt sich aber ganz bald als Fessel heraus, die es Frauen unmöglich macht aus ihrer gesellschaftlich benachteiligten Rolle herauszutreten. Frauen und Männer verstehen vielleicht unter „Verantwortung für Kinder übernehmen” manchmal etwas anderes, aber das erleben dieser Vielfalt kann für die Kinder sehr förderlich sein und ihnen unterschiedliche Welten zeigen.”
In schöner Regelmäßigkeit wird in Österreich auf die weit auseinanderklaffende Lohnschere zwischen Mann und Frau hingewiesen. Die Teilzeitbeschäftigung von Frauen wird dabei als der wesentliche Faktor für die ungerechte Lohnverteilung hervorgestrichen. Die Mutter im Spagat zwischen Kind und Job fährt die Karriereleiter mit „angezogener Handbremse” hoch und verdient bei weniger Stunden weniger Geld. Dieses Recht auf Teilzeit bis zum 7 Lebensjahr des Kindes, ist allerdings zu einem nicht unwesentlichen Teil auf Initiative des Frauenvolksbegehrens 1997, unterstützt von der SPÖ und den Grünen, überhaupt erst ins Leben gerufen worden, schreibt das Wochenmagazin profil, mit dem Titel: Die Wahrheit über die Ungleichheit.
Die Doppelresidenz eröffnet Müttern die in beruflicher Hinsicht die gleichen Chancen wie Vätern. Auch wenn Väter vorher nicht in Karenz waren, oder Teilzeit gearbeitet haben, wollen sie doch ihre Kinder in ihrer Nähe haben. Viele würden die Doppelresidenz leben wollen. Auf den goodwill der Mutter angewiesen zu sein und nur mit ihrem Einverständnis, fernab jeglicher Rechtssicherheit, mit all den eventuellen (oben beschriebenen) Folgewirkungen, werden sie sich in ihrem Engagement aber eher zurückhalten.
Es scheint, als müssten sich Frauen entscheiden. Opfer bleiben und darüber klagen können, oder tatsächliche Gleichberechtigung leben, damit verbunden aber das Kind etwas loszulassen und Macht über dieses abzugeben.
Pototschnig Anton