Fragen und Antworten zur DR
Häufig gestellte Fragen zur Doppelresidenz
Vorwort
Fragen und Antworten:
- Welche Voraussetzungen sind für die Doppelresidenz nötig?
- Wie werden die Pendelintervalle entschieden?
- Was ist, wenn ein Elternteil plötzlich woanders hin übersiedelt?
- Doppelresidenz und Erwerbsarbeit und Betreuungspflicht?
- Erfahrungswerte von Müttern und Vätern, die der Plattform angehören
Wie lange leben die Kinder bereits in diesem Modell?
Wie erleben die Kinder dieses Modell?
Wie findet die Übergabe statt?
Wieviel Kommunikation zwischen den Eltern ist nötig
- Gibt es Untersuchungen darüber, ob der Druck Frauen gegenüber steigt, diesem Modell zuzustimmen?
- Soll die Doppelresidenz, nach der Scheidung /Trennung, für alle verpflichtend eingeführt werden, auch gegen den Willen des anderen Elternteils?
- Wie soll vorgegangen werden, wenn ein Elternteil die Doppelresidenz boykottiert?
- Ist das Nestmodell, einem geteilten Wohnsitz des Kindes vorzuziehen?
- Könnten durch die Doppelresidenz Sorgerechtsstreitigkeiten reduziert werden?
- Was, wenn die Doppelresidenz als Druckmittel eingesetzt wird nur um die Scheidung zu verhindern?
- Wie geht es Frauen, die die Doppelresidenz leben?
Vorwort
Den Eltern, die mit ihren Kindern das Modell der Doppelresidenz leben, wird oft mehr oder weniger deutlich unterstellt, primär an ihren eigenen Bedürfnissen nach Kontakt mit dem Kind interessiert zu sein. Das Interesse am Wohlergehen des Kindes wäre demnach zweitrangig. Zum Ausdruck kommt dies in Aussagen wie „Na ich würde nicht an zwei Wohnsitzen leben wollen, das wäre mir viel zu anstrengend“.
An dieser Betrachtungsweise wird eines zu wenig differenziert. Erwachsene orientieren ihren Lebensmittelpunkt primär am Lebenspartner. Viele wechseln den Wohnort, nur um mit dem Partner den Lebensalltag verbringen zu können. Der ursprüngliche Wohnort wird nebensächlich. Der Ort orientiert sich nach der Liebe.
Ein Kind liebt vorrangig zwei Menschen. Vater und Mutter. Ein Kind ist in seinem Sein von deren Gegenliebe abhängig. Fehlt ein Teil, hat dies mehr oder weniger große Auswirkungen auf die Identitätsenwicklung des Kindes. Trennen sich die Eltern, bleibt die Liebe zu Mutter und Vater ungebrochen. Der Wohnort hat dann untergeordnete Bedeutung. Von beiden Eltern möglichst gleich viel Zuwendung zu bekommen, besitzt größeren Stellenwert. Der Wohnort wird sekundär.
Kinder haben darüber hinaus ein sehr großes Bedürfnis nach Gleichbehandlung beider Eltern. Dahinter steckt teilweise auch die Angst bei Ungleichverteilung ihrer Liebe dementsprechend auch von einem weniger an Liebe zurückzubekommen. Auch diesbezüglich ist die Doppelresidenz am Kind orientiert.
Nichtsdestotrotz müssen Veränderungen vorgenommen werden, wenn dieses Modell nicht mehr stimmig ist für die Kinder. Dies erfolgt auch.
Eine letzte allgemeine Bemerkung:
Bei den Doppelresidenzkindern wird immer wieder auf die Spätfolgen verwiesen, die erst durch Langzeitstudien festgestellt werden können, wenn die Kinder dann auch schon zu Erwachsenen gereift sein werden.
Jetzt schon gibt es aber viele Studien, die klare Hinweise darauf geben, dass das Fehlen des zweiten Elternteiles potentiell nachteilige Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern hat.
Fragen und Antworten
1. Welche Voraussetzungen sind für das Modell Doppelresidenz notwendig?
Absolute Voraussetzungen:
* Das Kind darf bei keinem Elternteil psychisch bzw. physisch gefährdet sein.
* Die Eltern müssen bereit sein, Verantwortung für das Kind zu übernehmen und dazu aus organisatorischen Gründen auch in der Lage sein (Stichwort: ungünstige Arbeitszeiten, Auslandsaufenthalte).
* Das Kind muss von beiden Wohnsitzen aus in der Lage sein, den Kindergarten bzw. die Schule zu erreichen. (Auch in aufrechten Beziehungen müssen Kinder teilweise sehr weite Schulwege in Kauf nehmen, weil den Eltern eine bestimmte Schule „die beste für’s Kind“ wichtig ist.).
Relative Voraussetzungen:
-Das Kind sollte eine gute Bindung zu beiden Elternteilen haben. In der Regel haben das die Kinder, auch zu dem Elternteil der zeitlich weniger präsent ist.
-Regelmäßigkeit in der Abfolge der Kontakte wirkt sich sehr positiv auf das Kind aus.
Auch wenn es häufige Wechsel gibt (Montag beim Vater, Dienstag bei der Mutter, Mittwoch beim Vater,…), kennt sich das Kind aus, wann es vom wem abgeholt wird.
-Gesprächsbasis der Eltern miteinander wirkt sich positiv aus, ist aber nicht unbedingte Voraussetzung. Viele Eltern leben DR auch bei fast keiner Gesprächsbasis. Es genügt, wenn ein Mindestmaß an Austausch passiert (siehe oben, differenziert nach Alter). Email, sms stellen eine sehr gute Infoplattform dar, wenn es im direkten Austausch gar nicht geht.
Grundsätzlich: Wenn den Eltern die Kommunikationsbasis fehlt, ist es für die Kinder nicht a priori besser deshalb einen Elternteil aus dem Leben zu verlieren.
Wesentlich ist, ob die Eltern die Spannungen über das Kind austragen. Tun sie es nicht, gibt es keinen Grund, das Gewicht des Aufenthaltes auf einen Elternteil zu verlagern. (In einigen Familien die mit ihrem Kind die Doppelresidenzen leben gibt es Konflikte, teil große, trotzdem ist den Kindern der gleichmäßige Kontakt zu beiden Elternteilen wichtig. Und dass Modell bietet letztlich allen einen Vorteil). Tun sie es schon – instrumentalisieren sie also das Kind – ist den Eltern dringend geraten, sich Beratung einzuholen. Ein generelles – “dann ist es besser die Doppelresidenz zu beenden” – kann jedoch als Lösung nicht vorgeschlagen werden. Jede Familiensituation muss einzeln betrachtet und beurteilt werden. Nicht in allen Fällen wird die Doppelresidenz das Beste fürs Kind sein.
-Unterschiedliche Erziehungshaltungen sind im Wesentlichen eine gute Ergänzung. Kinder können sich sehr gut anpassen und erleben beim jeweils anderen Elternteil einen Ausgleich, was sich positiv auf deren Entwicklung auswirkt. (Kinder müssen sich ständig anpassen. Kindergarten, Schule, peer group,…überall gibt es andere Regeln. Schaffen es Kinder nicht sich anzupassen, stellt dies in schwierigen Fällen eine kinderpsychiatrische Diagnose dar “fehlende Anpassungsleistung” und führt, in der Schule dazu, dass Kinder mitunter in eine Sonderpädagogische Klasse mit mehr Lehrern und weniger Kindern kommen.)
-Wohnortnähe der beiden Elternteile ist grundsätzlich positiv, weil die Kinder dadurch in einem Freundeskreis leben können und nicht je nach Elternteil und Wohnumgebung die jeweils dazugehörigen Freunde haben. Aber, viele Kinder treffen ihre einzelnen Freunde auch so nur einmal die Woche, dann halt eben bei dem wo sie gerade sind.
-Grundsätzlich sollten beide Elternteile Verantwortung in Schulangelegenheiten übernehmen. Ist das Kind sehr selbständig und erhält über die Schule bzw. Hort genügend Unterstützung geht’s auch, wenn ein Elternteil weniger Zeit damit verbringt. Schwierig wird’s sicher, wenn das Kind viel Förderung benötigt und ein Elternteil keine Initiative zeigt.
-Die Bereitschaft mit den Lehrern wesentliche Dinge zu besprechen.
Sollten Kinder die Lehrer damit ausspielen, dass sie die Aufgaben bei einem Elternteil haben und deshalb nicht machen können, müssen die Lehrer mit dem Elternteil Kontakt aufnehmen und es besprechen, so wie in jeder anderen Familie.
2. Wie werden die Pendelintervalle entschieden?
Zwei Dinge sollten dabei beachtet werden:
1. Je regelmäßiger die Intervalle sind, umso besser kann sich das Kind orientieren und umso weniger Stress macht es dem Kind.
2. Je jünger das Kind ist, umso kürzer sollten die Intervalle sein, da ein Kind lange Zeiträume nicht überblicken kann. Übernachtungen beim jeweiligen Elternteil stellen dabei kein Hindernis dar, außer es wird noch gestillt.
Grundsätzlich gibt es dabei viele Möglichkeiten für die Eltern, dies nach ihren beruflichen Alltag zu gestalten.
Beispiele für bereits gelebte Intervalle:
* täglichen Wechsel und das Wochenende mal bei Mutter mal bei Vater.
* 3 Tage hier, 4 Tage dort
* Woche/Woche
* Mo, Di bei Vater, Mi, Do bei Mutter, Fr – So bei Vater; darauf folgende Woche Mo, Di bei Mutter, Mi, Do bei Vater, Fr – So bei Mutter
*bei großer räumlicher Trennung der Eltern verbringt das Kind viel Zeit beim Elternteil, der nicht in Schulnähe ist.
Grundsätzlich ist es wichtig die Intervalle dem Kind entsprechend durchzuführen und bei Veränderungsbedarf darauf zu reagieren. Bei manchen Familien wird im Laufe der Zeit vom Modell der Doppelresidenz wieder abgegangen, weil das Kind es nicht mehr will. Wichtig dabei ist es, sich die Motivation des Kindes genauer anzusehen.
Jugendliche formulieren den Wunsch nach einem hauptsächlichen Wohnsitz manchmal, weil sie beim gleichgeschlechtlichen Elternteil mehr Zeit verbringen wollen, oder sich mit dem Lebensgefährten des einen Elternteiles nicht verstehen.
3. Was ist, wenn ein Elternteil plötzlich woanders hin übersiedelt?
Grundsätzlich muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Bereitschaft der Eltern sich in relativer Wohnnähe anzusiedeln um einiges größer ist, wenn gemeinsame Obsorge bzw. Doppelresidenz gelebt wird.
Sollte ein Elternteil den Wohnort wechseln ist die Frage relevant, ob vom neuen Wohnsitz aus Kindergarten- bzw. Schule auf zumutbare Weise erreichbar sind. Wenn nicht, werden die Eltern möglichst unter Einbeziehung des Kindes entscheiden müssen, wo sich das Kind in der Folge hauptsächlich aufhalten soll.
Kann von der Bindungsqualität her keine Prioriät getroffen werden, sollte wohl der Beständigkeit hinsichtlich Ort und sozialer Umgebung Priorität eingeräumt werden.
4. Doppelresidenz und Erwerbsarbeit und Betreuungspflicht?
Derzeit ist es für viele Mütter schwierig, beruflich Fuß zu fassen, bzw. berufliche Karriere zu machen, weil Kinderbetreuung und Pflegeurlaub ein Hindernis darstellen. Doppelresidenz erhöht die Chancen der beruflichen Integration und Karriere, da man flexibler wird. Viele Mütter, die DR leben, werden um ihre berufliche und private Gestaltungsmöglichkeit von anderen Müttern beneidet.
Grundsätzlich sollte nach dem Prinzip entschieden werden, dass das Kind möglichst bei beiden Elternteilen gleich viel Zeit verbringen kann. Dementsprechend sollte danach gesucht werden, wie dies in das Leben der Eltern integriert werden kann, unter der Voraussetzung, dass das Kind dadurch profitiert.
Erfahrungen der Plattformmitglieder:
zB.: Ein Elternteil verbringt viel Zeit im Ausland, legt die Termine aber so, dass in dieser Zeit, das Kind beim anderen Elternteil ist. Ohne DR wäre diese berufliche Option gar nicht möglich gewesen.
u.a. Bsp.:
zB. Schichtarbeit: Vater hat eine Woche Früh- (6 – 14 Uhr) und eine Woche Spätdienst (14 bis 22 Uhr). Das Schulkind könnte in der Woche mit Frühdienst beim Vater verbringen.
Schon jetzt gibt es das Bestreben des Staates, Ganztagsbetreuungsplätze flächendeckend zur Verfügung zu stellen um die berufliche Integration der Frau zu erleichtern. Dieser Trend kommt dem Modell der DR entgegen.
Die Situation „am Land“.
Vielfach gibt es dort maximal ½-tags Kindergärten, bzw. keine Horte. Dies stellt schon jetzt ein berufliches Hindernis für viele Frauen dar. Aber so wie schon jetzt die familiären Ressourcen (Oma, Opa) genützt werden, stellen diese auch auf der väterlichen Seite eine dar. Sind diese nicht vorhanden, erhöht sich die Chance auf berufliche Integration bei der Mutter, wenn der Vater bereit ist, die Hälfte der Zeit für das Kind da zu sein.
5. Erfahrungswerte:
Von Müttern und Vätern, die der Plattform Doppelresidenz angehören:
#Wie lange leben Kinder in diesem Modell?
Kinder von Plattformmitgliedern leben bis zu 20 Jahre in diesem Modell.
# Wie erleben die Kinder dieses Modell?
Kinder selbst dazu befragt erleben dieses Modell positiv. Dass wir als Eltern das sagen, ist aber eine NoNa-Antwort. Vielleicht ein Zitat einer Kindergärtnerin über Kinder aus so einem Modell: „Bei Ihren Kindern ist mir gar nicht aufgefallen, dass sie geschieden sind. Die sind so entspannt. Andere Scheidungskinder verhalten sich teilweise sehr auffällig nach der Scheidung.”
Studien mit Kindern bzw. jungen Erwachsenen weisen darauf hin, dass Kinder sich allgemein mehr Kontakte zum anderen Elternteil wünschen, auch wenn es bereits 14-tägige Kontakte gibt.
# Wie findet die Übergabe statt?
Unterschiedlich.
Direkt vom Vater zur Mutter oder über Institutionen (Kindergarten, Schule… hinbringen und von dort abholen), oder beides.
Bei sehr konflikthaften Verhältnissen hat sich die Übergabe über Institutionen bewährt.
# Ist die Übergabe beschwerlich, weil viele Sachen hin und her transportiert werden müssen?
Grundsätzlich: Im Wesentlichen haben die Kinder bei beiden Elternteilen genügend Kleidung und auch alle anderen Sachen (wie, wenn es der Hauptwohnsitz wäre), wodurch nicht ständig hin-und hergetragen werden muss. In der Übergangszeit ist es teilweise nötig, Schuhe für alle Wetterlagen bereit zu haben. Ein zweites Paar muss also mitgenommen werden. Bei Hobbys gibt es manchmal einen Mehraufwand. Sportsachen, Instrumente müssen übersiedelt werden.
Eine direkte Übergabe zwischen den Eltern ist am leichtesten zu organisieren.
Übergabe über Institutionen: Sachen werden in Kindergarten, oder Schule gebracht und von dort abgeholt.
Der Kreativität sind dabei aber keine Grenzen gesetzt. Ein Elternpaar teilt sich ein Auto. Das Auto steht jeweils dem zu, der das Kind bei sich hat. Die wichtigsten Dinge befinden sich im Auto. (Nicht vergessen, auch wenn das Kind nur alle 14 Tage wechselt, ist es manchmal nötig, Sachen zu transferieren.)
Von Leuten, die diesbezüglich keine Erfahrung haben, wird oft diesbezüglich viel Aufwand, sei es fürs Kind oder für die Eltern vermutet. Für die Plattformmitglieder hat das Thema eine sehr untergeordnete Bedeutung, weil nie wirklich problematisch.
# Wie viel Kommunikation zwischen den Eltern ist nötig?
Grundsätzlich wird es von den Kindern als entspannend erlebt, wenn die Eltern miteinander reden. Es gibt aber auch Eltern in der Plattform, die fast gar nicht miteinander reden, und es funktioniert trotzdem sehr gut. Je unauffälliger, oder unproblematischer die Kinder sind, umso weniger Austausch ist nötig.
Wann ist Kommunikation worüber wichtig?:
Kleinkinder: Krankheiten der Kinder, Schlafdefizit
Kindergartenalter: Ausflüge (Sachen müssen mitgebracht werden, oder Zeiten verschieben sich), soziale Auffälligkeiten und wie damit umgehen.
Volksschule: Prüfungen, Ausflüge, Noten, Materalien, Geld, Krankheiten. Vieles steht im Mitteilungsheft, oder ist ritualisiert (zB jeden Montag Leseübung, jeden Dienstag Lernwörter…)
HS, Gym: Tests Schularbeiten, Defizite, Nachhilfebedarf bzw. Organisation
6. Gibt es Untersuchungen darüber, ob der Druck Frauen gegenüber steigt, diesem Modell zuzustimmen?
Für Mütter, denen der Kontakt des Kindes zum Vater wichtig ist, wird dies kein Thema sein.
Mütter, die berechtigte Einwände gegen eine rechtliche Gleichstellung des Vaters gegenüber dem eigenen Kind, einbringen, wird seitens Behörden Hilfe beigestellt werden.
Mütter, die den Kontakt zum Vater be- bzw. verhindern wollen, ohne dass dafür kindrelevante Gründe vorliegen, sollen unter Druck gesetzt werden, dies zu unterlassen.
Das Kind ist kein Besitz. Beide Eltern werden sich darum bemühen müssen, eine positive Rolle dem Kind gegenüber zu spielen. In Fällen, wo es Probleme gibt, werden Außenstehende (Beratungsstellen und Behörden) regulierend eingreifen müssen.
7. Soll die Doppelresidenz nach der Scheidung/Trennung für alle verpflichtend eingeführt werden, auch gegen den Willen des anderen Elternteils?
Ob sich die Eltern für die Doppelresidenz oder einen hauptsächlichen Wohnsitz mit 14-tätigen Besuchskontakten entscheiden, sollte den Eltern überlassen sein, solange sie im Einvernehmen zu einer Entscheidung kommen.
Die der Doppelresidenz zugrundeliegende gemeinsame Obsorge sollte jedoch für alle Eltern verbindlich sein. Ein Abgehen davon sollte nur in begründeten Fällen, auf Antrag, erfolgen.
Diese grundsätzliche Vorgangsweise für alle Paare soll verhindern, dass aus reiner Willkür oder aus einer persönlichen Animosität heraus, dem Kind die Möglichkeit versperrt werden kann, zu beiden Elternteilen gleichen Kontakt zu haben.
Spricht sich ein Elternteil gegen die Doppelresidenz aus, sollte den Eltern zuerst der Auftrag erteilt werden, in einer Beratungsstelle die Motive zu klären. Gibt es begründete Einwände gegen die DR, sollte nach Prüfung der Gefährdungsmomente von der DR abgegangen werden.
8. Wie soll vorgegangen werden, wenn ein Elternteil die Doppelresidenz boykottiert?
Bei der Trennung/Scheidung:
Wird bei strittigen Eltern festgestellt, dass Vater und Mutter grundsätzlich für die Ausübung DR geeignet sind, sollte der Elternteil bevorzugt werden, der eher Garant dafür ist, dass für das Kind der Kontakt zum anderen Elternteil gewährleistet ist. Dies könnte dadurch geschehen, dass diesem Elternteil ein verstärktes bzw. alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht eingeräumt wird.
Grundsätzlich sollten die Eltern durch professionelle Beratung, wenn nötig auch angeordnet, eine Regelung im Sinne des Kindes finden.
9. Ist das Nestmodell, einem geteilten Wohnsitz des Kindes vorzuziehen?
Das Nestmodell stellt selbstverständlich eine Variante dar, die gelebt werden kann und bereits gelebt wird.
Die Formulierung „wäre es nicht günstiger“ impliziert aber, dass ein Wohnsitzwechsel für das Kind eine Zumutung ist. Dem kann, aus der Erfahrung, nicht zugestimmt werden.
Abgesehen davon müssen aber auch die potentiellen Schwachstellen eines solchen Nestmodells überlegt werden.
– Kosten: Es würde bedeuten, dass drei Wohnungen bezahlt werden müssen, anstatt zwei. Zudem, wer trägt die Kosten für Reparaturen? Wer ist mehr verantwortlich für einen Schaden? Wer bestimmt den Zeitpunkt für eine Sanierung? Leerer Kühlschrank, voller Kühlschrank – einer kauft, der andere verbraucht!? All diese Themen können zu vielen Streitigkeiten führen.
– Ordnung: Treffen Elternteile in einer Wohnung aufeinander, die bisher bereits mit dem unterschiedlichen Ordnungssystem des anderen zu kämpfen hatten, wird es danach nicht besser. Das Kind könnte sich, dann jedes Mal den unzufriedenen Elternteil anhören, der über die Unordnung des anderen jammert.
– Wenn eine neue Partnerschaft eingegangen wird, zieht dann der neue Partner jeweils mit? Beide Paare schlafen im selben Bett?
– Wenn der neue Partner auch Kinder hat, ziehen die Kinder mit um? Wenn ein gemeinsames Kind folgt, hat das dann zwei Wohnsitze, und das Erstgeborene bleibt im Nest?
10. Könnten durch die Doppelresidenz Sorgerechtsstreitigkeiten reduziert werden?
Ist man verliebt, ist man meist blind für die negativen Seiten des Partners.
Trennt man sich, ist man meist blind für die positiven Seiten des Partners.
Jedes Mal befindet man sich in einem Ausnahmezustand.
In diesem Ausnahmezustand ist es nun den Eltern aufgetragen, das Kind in seiner Liebe zum anderen Elternteil, zu akzeptieren. Den Menschen also, der verantwortlich gemacht wird für eigenes Leid und erlittene Verletzungen. Gedanken wie: „Das Leid, das du mir angetan hast, wirst du auch dem Kind – meinem Kind – antun. Das werde ich zu verhindern wissen!“, oder „Dafür wirst du mir büßen“. Beziehungsebene vermischt sich mit Elternebene.
Eine Unterscheidung zwischen der Beziehung zum Partner und der des Kindes zum anderen Elternteil, benötigt in so einer Situation ein sehr stabiles und reifes Ich. Je weniger dieses vorhanden ist, umso mehr vermischen sich Beziehungsebene mit Elternebene.
In der Absicht, dem Kind dies zu ersparen, aber auch in der Absicht, den, der verletzt hat, ebenfalls zu verletzen, indem das Kind vorenthalten wird, wird das Kind zur Munition gegen den anderen.
Derzeit wird dieses Feld den Eltern allein überlassen. Kinderschutz – dem in unserer Gesellschaft ein sehr hoher Wert beigemessen wird – wird Menschen übertragen, die für die Bedürfnisse des Kindes oft völlig blind sind. Der Gesetzgeber geht de facto davon aus, dass nur die Eltern selbst zu einer Lösung kommen können und stellt wenig Leitlinien und noch weniger „Stoppschilder“ auf.
Doppelresidenz bedeutet nun eine Leitlinie, nach der sich Eltern zu orientieren haben. Mutter und Vater werden auf dieselbe Stufe gestellt. Gleiche Augenhöhe begünstigt eine faire Auseinandersetzung (Konflikttheorie und Spieltheorie bestätigen dies). Machtgefälle prolongiert Konflikte. Missbräuchlicher Verwendung von Macht wird durch DR vorgebeugt.
11. Was, wenn die Doppelresidenz als Druckmittel eingesetzt wird nur um die Scheidung zu verhindern?
Das Kind also umgekehrt, als Waffe einsetzt um das Bleiben des Partners/der Partnerin zu erzwingen (in dem Wissen, dass der andere Elternteil einer DR nie zustimmen könnte, weil er weiß, dass das Kind schlecht aufgehoben wäre)?
Selbstverständlich wird dies vorkommen. Beratungsstellen sollten dabei behilflich sein, eine am Kind orientierte Lösung zu finden.
Besuchsbegleitung wäre in Folge ebenso eine praktikable Lösung, um zu eruieren, ob ein Elternteil tatsächlich am Kind interessiert ist, oder das Kind als Mittel zum Zweck, wie beschrieben, missbraucht. Ein Elternteil, der mit dem Kind eigentlich nicht umgehen kann und will, schon gar nicht einen ganzen Tag lang, wird bald überfordert sein. Eine Besuchsbegleitung kann dabei viele Eindrücke sammeln und daraus Schlüsse ziehen. Stellt sich die Beziehung jedoch als liebevoll dar und der Elternteil als kompetent und willens, dann steht einer DR nichts im Wege.
Nicht übersehen werden soll, dass in der derzeitigen Situation viele Konflikte zustande kommen, weil die gemeinsame Obsorge einfach willkürlich abgelehnt wird.
Konflikte als solche sind nicht immer vermeidbar. Die Frage stellt sich, welche Ausgangsbasis ist eher geeignet, dem Kind eine gute Lösung zu bieten. 40% verlorene Elternteile, kurz nach der Trennung / Scheidung, stellen dem jetzigen System kein gutes Zeugnis aus.
12. Wie geht es Frauen, die DR leben.
Sie haben Zeit, ihren persönlichen und beruflichen Interessen, neben dem Bedürfnis nach einem Leben mit Kind, nachzugehen, ohne aufwändige Organisation, oder teure Babysitter. Viele davon werden beneidet, weil sie ihre berufliche Karriere leichter fortsetzen konnten. Manche werden aber auch angefeindet und in die Nähe von Rabenmüttern gebracht, weil sie das Kind dem Vater überlassen. mehr dazu