Forderungen
Forderungen der Plattform Doppelresidenz
Zielsetzungen:
# Das Kind steht im Mittelpunkt aller Überlegungen.
# Dem Kind soll nach der Trennung Kontinuität hinsichtlich:
Beziehung, Erziehung, Betreuung, Umgebung und Förderung ermöglicht werden. Das Erleben des Kindes von Alltag und Freizeit, bei Vater und Mutter, in möglichst ausgewogener Form erfüllt diesen Kontinuitätsanspruch am ehesten.
# Dem Verlust eines Elternteils und Konflikten von Eltern in denen das Kind instrumentalisiert wird, soll entgegengewirkt werden.
# Mütter und Väter sollen auf „gleicher Augenhöhe” miteinander kommunizieren können.
Um diese Ziele zu erreichen bedarf es bestimmter Voraussetzungen:
Obsorge:
Eheliche Kinder:
° Lassen sich Eltern scheiden bleibt die Obsorge beider Elternteile (ObE) aufrecht. Von ihr kann nur per Antrag abgegangen werden. Die ObE soll Väter darin bestärken Verantwortung zu übernehmen und Mütter dieselbe abgeben zu dürfen. Studien belegen dahingehend eindeutig eine positive Wirkung.
Uneheliche Kinder:
° Beide Elternteile haben ab Anerkennung der Vaterschaft die Obsorge beider Elternteile unabhängig davon ob sie in Lebensgemeinschaft leben oder nicht. (1) Wie bei ehelich geborenen Kindern kann per Antrag davon abgegangen werden, wenn damit eine Gefährdung des Kindes einhergeht.
Aufenthalt:
° Nach der Trennung werden die Eltern explizit auf die Möglichkeit der Doppelresidenz hingewiesen. Der gleichteiligen Übernahme der Verantwortung soll damit ein besonderer Stellenwert beigemessen werden. Den Eltern wird damit bewusst gemacht, dass Kinder Mutter und Vater in gleicher Weise benötigen. (2)
Die Doppelresidenz soll als eine mögliche Variante explizit im Gesetz verankert werden. Entscheiden sich die Eltern dagegen, ist es ihnen frei gestellt, sich einvernehmlich, auf ein anderes Kontaktmodell zu einigen.
° Wird von einem Elternteil die Doppelresidenz beantragt und es stehen dem keine Gefährdungsmomente entgegen, muss diese beschlossen werden können.
° Der Begriff Besuchsrecht wird durch den Begriff Umgangsrecht ersetzt.
° Die Kontaktgestaltung zum Kind muss dem Alter entsprechend sein. Je kleiner die Kinder sind umso geringer muss die Kontaktunterbrechung sein. Konkret: sollte es im ersten Lebensjahr mehrere Kontakte pro Woche geben, nach der Stillzeit (spätestens aber nach einem Jahr) auch mit Übernachtung. Mit zunehmendem Alter des Kindes werden die Zeiträume beim jeweiligen Elternteil altersentsprechend ausgedehnt. Dem Alltagsbezug bei beiden Elternteilen ist ein wichtiger Stellenwert beizumessen.
Konfliktregelung:
Um den Konflikt weg von Gericht und Jugendamt zu bekommen wird im Vorfeld eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Diese ist von den Eltern als erstes zu kontaktieren. Ziel der Schlichtungsstelle ist es Information und Beratung anzubieten und im Falle des Streits Konfliktregelungen durchzuführen.Lösungsorientiertes, fachübergreifendes, kooperatives Zusammenarbeiten wird zur Norm. (Vorbild Cochemer Modell) (5)
Im Prozess involvierte Fachleute müssen über eine einschlägige Ausbildung im Bereich Trennungs- und Erziehungsberatung verfügen und regelmäßig fachspezifische Fortbildungen besuchen. (6)
Regelmäßiger professioneller Austausch unter Einbeziehung von Betroffenenorganisationen, mit dem Ziel Vollzug und Gesetz veränderten Bedingungen anpassen zu können.
Beide Elternteile sollen ein Recht auf Einsicht der Dokumentation bei allen relevanten Behörden haben.
Sanktionen sind das letzte Mittel um einem Beschluss zur Durchsetzung zu verhelfen, dürfen aber nicht wie bisher grundsätzlich ausgeschlossen werden.
In Konfliktsituationen muss das Gericht die Möglichkeit haben Beratung, Mediation und Therapie auch gegen den Willen der Eltern anzuordnen. (3)
Darüber hinaus muss es, je nach Anlassfall, folgende Beschlussmöglichkeiten geben:
# Konfliktregelung bei Fragen der Obsorge:
– Streiten sich Vater und Mutter nach der Trennung über den Aufenthalt des Kindes soll das Gericht die Möglichkeit haben die Doppelresidenz für den Zeitraum der Entscheidungsfindung, anzuordnen. Die Doppelresidenz sollte sich dabei vorrangig an gelebten Verhältnissen vor der Trennung orientieren, und nicht strikt eine „halbe/halbe Lösung” anordnen müssen. In Frankreich und Tschechien ist das bereits gängige Praxis.)
– Derjenige Elternteil der aus Sicht der Behörden eher dafür Sorge trägt, den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil zu fördern bzw. zu gewährleisten, soll mit einem verstärkten Aufenthaltsbestimmungsrecht ausgestattet werden können.
# Konfliktregelung im Falle der Kontaktbe- bzw. verhinderung
– Werden Kontakte zum anderen Elternteil, ohne Vorliegen einer Gefährdung für das Kind be- oder verhindert, sollte dieser Umstand an sich als eine Gefährdung des Kindeswohles eingestuft werden.
– Bei Kontaktabbruch hat eine Überprüfung der Situation innerhalb von 14 Tagen zu erfolgen. (In Deutschland wurde das Beschleunigungsgebot explizit im Gesetz verankert. (7))
– Liegt keine Gefährdung vor und ist eine Beilegung des Konfliktes mittels vorhandener Beratungseinrichtungen nicht möglich, sollten auch Sanktionen schnell angewendet werden.
– Erfolgt ein Kontaktabbruch, oder eine Kontaktbehinderung zum anderen Elternteil, ohne den Hintergrund einer Gefährdung für das Kind, muss die Möglichkeit bestehen das Sorgerecht auf den anderen Elternteil allein zu übertragen bzw. diesem ein bevorzugtes Aufenthaltrecht zuzuordnen. (4)
– Einsatz eines Kinderbeistandes (könnte auch die Aufgabe der Übergabe an den anderen Elternteil übernehmen)
Schlussbemerkung:
Bei keinem Verfahren (wo es de facto keinen Schuldigen im Sinne des Strafgesetzbuches gibt) wird, mithin auch sehr leichtfertig, so massiv in das Leben von Menschen eingegriffen, wie im Bereich der Obsorge bzw. des Besuchsrechtes. Da es sowohl bei RichterInnen als auch bei SozialarbeiterInnen an einer spezifischen, professionellen Ausbildung, im Bereich Trennung und Scheidung, mangelt, werden viele Entscheidungen auf Basis persönlicher Werthaltungen getroffen. Dem muss entgegengewirkt werden.
Die Plattform Doppelresidenz
Erläuterungen:
(1) Bisher: Die uneheliche Mutter hat das alleinige Obsorgerecht. Ein Antrag auf Obsorge beider Elternteile kann nur von beiden Elternteilen gemeinsam eingebracht werden. Der Vater allein hat nicht das Recht die gemeinsame Obsorge zu beantragen. Die Mutter wird dadurch, de facto als der vorrangig bedeutende Elternteil determiniert.
Ziel eines neuen Gesetzes ist es, der auch wissenschaftlich festgestellten Gleichbedeutung beider Elternteile gegenüber dem Kind Rechnung zu tragen, indem sie auf rechtlicher Ebene gleichgestellt werden.
Die Eltern sollen, wie bisher, unabhängig voneinander Zeichnungs- und Entscheidungsberechtigt sein. (Vermieden werden soll, dass in bestimmten wichtigen Angelegenheiten ein Elternteil mit der Verweigerung seiner Unterschrift alles blockieren kann. Es wird davon ausgegangen, dass ein Elternteil, der sich in seinem Mitbestimmungsrecht übergangen fühlt, leicht den Weg zu den Behörden finden kann. Ein Elternteil aber nicht allein aufgrund von Inaktivität den engagierten Elternteil Unannehmlichkeiten bereiten können soll). Die Eltern sind jedoch verpflichtet, den anderen Elternteil bei wesentliche Entscheidungen (Kindergarten, Schule..) bereits im Vorfeld zu informieren.
(2) Die Doppelresidenz, also der gleichmäßige Aufenthalt des Kindes bei beiden Elternteilen, wird als dem Wohle des Kindes förderlich angesehen. Vom Modell der Doppelresidenz kann und soll abgewichen werden, wenn ein Elternteil nicht in der Lage, oder Willens ist diese Verantwortung zu übernehmen, bzw. wenn einer der beiden Elternteile eine Gefährdung für das Kind darstellt.
Grundvoraussetzungen für die Doppelresidenz sind:
– Die Bereitschaft in entsprechender Weise für das Kind sorgen zu wollen
– Weder in psychischer noch in psychosozialer Hinsicht eine Gefahr für das Kind darzustellen
– Die Möglichkeit für das Kind den Kindergarten bzw. die Schule von beiden Wohnorten auf zumutbare Weise zu erreichen
Als förderlich für die Umsetzung der Doppelresidenz werden angesehen:
– räumliche Nähe der Eltern und damit Erhalt des Lebensumfeldes für das Kind
– Gegenseitige Akzeptanz der Eltern des jeweilig anderen Erziehungsstils
(3) Derzeit herrscht die grundsätzliche Annahme, dass Mediation, Scheidungsberatung, oder Therapie im Besonderen nur auf freiwilliger Basis stattfinden kann. Beratung von Eltern im Jugendamt, welche oft im Zwangskontext passiert; Therapie von Straffälligen auf richterliche Anordnung (Therapie, statt Strafe) zeitigen aber bereits jetzt sehr positive Ergebnisse.
Sieht man das Wohl des Kindes, bei Streitigkeiten rund um das Obsorgerecht und das Besuchsrecht, als gefährdet an, ist es legitim Eltern auch zu einer Beratung per richterlicher Weisung zu verpflichten (muss nicht von Anbeginn an gemeinsam absolviert werden). Deutschland hat sich zu diesem Schritt im September 09 entschieden. Seither können RichterInnen Beratung/Therapie auch verordnen.
Viele Eltern nehmen Beratung derzeit nicht in Anspruch, weil sie gar nicht glauben können, dass sich überhaupt noch was verändern kann, oder weil sie sich so vom ehemaligen Partner verletzt fühlen (Beziehungsebene nicht von Elternebene trennen können). In „den Händen” einer/s sachkundigen BeraterIn können sich jedoch Perspektiven eröffnen, die vorher unerreichbar schienen.
(4) Dieses Gesetz gibt es in Österreich bereits. Ein Obsorgewechsel kann aber nur durchgeführt werden, wenn das Kind von der Hauptbezugsperson zusätzlich unmittelbar, massiv gefährdet ist (Verwahrlosung bzw. Ausübung von psychischer, oder physische Gewalt). Der Umstand der Kontaktbe- bzw. verhinderung wird nicht als Gefährdung an sich eingestuft (trotz gegenteiliger wissenschaftlicher Ergebnisse). Schweden verzeichnete nach der Einführung dieses Gesetzes einen drastischen Rückgang an Kontaktabbrüchen.
(5) Derzeit werden Stellungnahmen von Gutachtern, von SozialarbeiterInnen und gerichtlich beeideten Sachverständigen erstellt, die zum Ziel haben einen Elternteil als den geeigneteren zu Klassifizieren. Nachdem dies in vielen Fällen nicht möglich ist, dient der fachliche Befund oft eher als Munitionslager für den anderen Elternteil als es der Beruhigung dient.
In Hinkunft sollten alle Kräfte darauf konzentriert sein, Eltern wieder in die Lage zu versetzen eigenverantwortlich Entscheidungen zum Wohle des Kindes zu treffen.
(6) Weder SozialarbeiterInnen des Jugendamtes, noch RichterInnen sind über die spezielle psychosoziale Scheidungsdynamik aus- bzw. weitergebildet.
Weder Fachhochschule noch Universität bieten eine spezifische Ausbildung an. Ob sich jemand diesem Thema fachlich nähert, hängt im Wesentlichen vom Engagement der/des Einzelnen ab (im Rahmen der Jugendwohlfahrt wurden in den letzten beiden Jahrzehnten keine Fortbildungen zum Thema Trennungsdynamik angeboten. Die Fortbildungen beschränkten sich auf den rechtlichen Aspekt). Derzeit hängt die Beratung wesentlich von den eigenen Erfahrungen und Einstellungen der beratenden Person ab. Fehlt jedoch eine professionelle Entscheidungsgrundlage bleibt als Referenz lediglich die persönliche Erfahrung. Dementsprechend ist die Rechtssprechung extrem heterogen und in vielen Fällen nicht nachvollziehbar bzw. hochgradig willkürlich.
(7) Innerhalb von einem Monat muss es bei Gericht eine Verhandlung geben zu der die Streitparteieen, das Jugendamt, die Rechtsanwälte und ev. der Kinderbeistand bzw. die Kinder selber erscheinen müssen. Sollte es bei dieser Verhandlung zu keiner Einigung kommen, ist eine einstweilige Umgangsregelung möglich um den Kontakt zwischen Kind und außerhalb lebenden Elternteil zu sichern.