Warum Scheidungskinder ihre Väter so oft aus ihrem Leben verlieren
Versuch einer Systemanalyse
Rund 40% der Kinder verlieren ein bis drei Jahre nach der Trennung/Scheidung einen Elternteil (zu 90% den Vater) aus ihrem Leben.
Warum?
Um diesem Phänomen auf dem Grund zu gehen ist es nötig den Bogen von der Wertehaltung unserer Gesellschaft, über die Politik und die Gesetze in Bezug auf Obsorge, bis hin zum Umgang mit dem Einzelfall, zu spannen.
Auch wenn es betreffend der Rolle des Mannes gegenüber den Kindern gesellschaftlich zu einem langsamen Wertewandel kommt, d.h. die traditionelle Festlegung auf die Rolle des „Ernährers“ schön langsam überwunden wird, ist Mann/Frau noch sehr weit davon entfernt die Wichtigkeit des Vaters gegenüber dem Kind, der der Mutter gleichzusetzen.
Studienergebnissen zufolge messen nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten der Einbindung von Vätern in den Karenzurlaub überhaupt eine Bedeutung zu. Zwei Drittel aller Frauen und noch mehr Männer stimmen der Einschätzung zu, wonach vom Mann im allgemeinen erwartet wird, dass er Karriere macht .(Öst. Inst. für Familienforschung = ÖIF, 2007).
Umgekehrt wird die Karenzzeit der Mütter kaum grundsätzlich in Frage gestellt. Verstößt jedoch eine Frau gegen dieses genormte Mutterbild, kann sie schnell in der Ecke der „Rabenmutter“ landen, was hinsichtlich der gesamtgesellschaftlichen Wertehaltung ein noch klareres Bild zeichnet.
Auf politischer Ebene wird zwischen den Geschlechtern eine klare Grenze gezogen. Hiebei wird der Mann primär als Familienernährer und die Frau als Hausfrau und potenzielle Mutter determiniert. Dazu seien nur die Karenzregelung und der Mangel an Kinderbetreuungsstätten genannt.
Fortgesetzt wird die Behinderung des Vaters an einer vermehrten Teilnahme am Famlienleben durch den Arbeitsmarkt. Nicht nur, dass dem Karenzurlaub auf betrieblicher Ebene oft ein Riegel vorgeschoben wird, indem ein Karriereknick in Aussicht gestellt wird, oder schlicht mit Kündigung gedroht wird, steht die Anforderung an eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit dem Leben als aktiver Familienvater ebenso im Wege.
Last but not least rundet die Forschung dieses Bild vom Vater, in seiner geringeren Bedeutung für die Gesellschaft, ab. An dieser Stelle wieder ein Zitat des Österreichisches Instituts für Familienforschung aus dem Jahr 2007: „Nach wie vor beschäftigt sich die Familienforschung primär mit den Müttern, oder mit dem Paar. Im Sonderheft der Zeitschrift für Familienforschung (2005) werden die Männer als das „vernachlässigte“ Geschlecht in der Familienforschung bezeichnet.“
Keiner wird leugnen, dass die oben genannten entscheidungsrelevanten Ebenen von Männern dominiert waren und gößtenteils auch noch werden, also es auch in deren Macht gelegen wäre daran etwas zu verändern.
In dieser Analyse geht es aber weniger um gesellschaftspolitische Relevanzen, sondern um die Frage, warum so viele Kinder den Kontakt zu ihren Vätern verlieren.
Um dem konkreter auf die Spur zu kommen ist es nötig die darunterliegende Ebene näher zu betrechten.
Zur Gesetzeslage:
Bis 1989 spiegelten sich in den Gesetzen betreffen Obsorge, noch die patriachalen Strukturen unserer Gesellschaft. Trotz Scheidung war die Frau in entscheidungs relevanten Fragen gezwungen den geschiedenen Gatten aufzusuchen um seine Zustimmung zu bekommen. Selbst einer erwachsenen Frau wurde es nicht zugemutet ein Kind allein, ohne Aufsicht der Jugenwohlfahrt, großzuziehen.
Mit 1989 änderte sich dies zum Vorteil der Frauen, was gut so war, weil ihnen eine längst fällige Eigenverantwortlichkeit zugesprochen wurde. Allerdings drehte sich „der Spieß“ nun zum Nachteil der Kinder und der Väter um.
Kontaktgewährung oder –verweigerung liegen defacto seither in der Hand des Obsorgeberchtigten – also zu 90% bei den Müttern. Da erkannt wurde, dass dadurch der Vater zusehends ins Abseits gedrängt wurde und dies auch für die Kinder nicht von Vorteil war, wurde die Obsorge beider Elternteile eingeführt, jedoch mit einem kleinen „Pferdefuß“ versehen. Obsorge beider Eltern ja, aber defacto nur wenn die Mutter es auch will.
Mittlerweile wird diese Schieflage von der Wissenschaft auf der Seite der Mütter als gatekeeping und auf der Seite der Väter als Infantilisierung bezeichnet. Immer mehr wird erkannt, dass darin auch ein wesentliches Element für den Kontaktabbruch liegt.
Um dies näher zu erörtern ist es nötig noch mal eine Ebene drunter zu schauen, nämlich auf den Umgang der Gerichte und Jugendämter mit dieser Problematik.
Herta Staffe, lange Jahre Leitende Sozialarbeiterin im Jugendamt, brachte es in einem Beitrag in der Zeitschrift für Alleinerziehende auf den Punkt. „In besonders schwierigen Fällen sind die Grenzen unseres Einflusses leider oft überschrifften“
Eine Richterin sagte es stellvertretend für viele noch pointierter: „Wenn die Mutter nicht will, geht gar nichts.“
In der Praxis, im Erleben der Väter, bedeutet dies häufig:
Jede Entscheidung ist in letzter Konsequenz abhängig von der Mutter. Die Mutter bestimmt wann, wie lange, in wessen Beisein, in welchen Zeitabständen und schließlich, ob überhaupt Besuchskontakte stattfinden. Viele Väter, darunter laut Forschung auch viele sogenannte „neue Väter“, halten diese Entmündigung nicht aus und verabschieden sich völlig vom Kind.
Selbstverständlich sind nicht an allen Kontaktabbrüchen nur die Mütter schuld. Selbstverständlich tragen auch viele Väter dazu bei, dass es letztlich dazu kommt.
Aber
* von Gesellschaft, Politik, Arbeitsmarkt und Forschung für nicht besonders wichtig erachtet zu werden
* vom Gesetz – defacto – hintangestellt zu werden
* von Gericht und Jugendamt oft dementsprechend behandelt zu werden und die eigene Ohnmacht auch bei Ihnen fortgesetzt zu finden
* Müttern gegenzuüberstehen, die die Kinder in vielen Situationen wie Eigentum behandeln,
macht es Vätern nicht unbedingt leicht „am Ball“ zu bleiben.
Derzeit „bastelt“ jede Seite an Vorwürfen gegen die „Gegenpartei“. Dieser Artikel soll einen Versuch darstellen aus den Grabenkämpfen rauszukommen um sich gegenseitig anzuhören, daraus Schlüsse zu ziehen und zu handeln um den Bedürfnissen aller, insbesondere aber der Kinder entgegen zu kommen.
Pototschnig Anton
2 Gedanken zu „Warum Scheidungskinder ihre Väter so oft aus ihrem Leben verlieren“
Moin!
Ein Aspekt fehlt mir in diesem Artikel. Der Einfluss des Kindes. Bzw. deren Hang dazu Grenzen auszutesten. Wenn man als 14-Tage-Wochenend-Vater erst einmal damit beschäftigt ist klar zu stellen das die Grenzen immer noch die gleichen sind kann man fast keine gute Zeit mit dem Kind verleben.
Die Alternative jegliche Grenzziehung zu unterlassen hilft nur kurzfristig. Schon mittelfristig verliert man die Kinder an den Fernseher.
Dies wiederum führt unweigerlich zu “Du bist doch gar nicht in der Lage ein Kind zu erziehen” Diskussionen mit der Mutter. Was von Ihrem Standpunkt betrachtet nicht einmal falsch ist. Nur ist die Ursache der Tatsache geschuldet das man bei sowenig Zeit keine Chance hat.
Grenzen auszureizen ist nun mal ein völlig normales Verhalten von Kindern. Sie müssen erfahren das man stärker ist denn nur so können sie darauf vertrauen das man sie beschützen kann.
Es gibt einige Verhaltensweisen von Kindern die in der ganzen Diskussion nicht berücksichtigt werden obwohl sie sehr wichtig sind. zum Beispiel auch das sie dazu neigen Eltern gegeneinander auszuspielen.
Kinder sind ja nicht Blöde.
Dem muss Rechnung getragen werden.
grüße
p.s.
Mein Vater hat, damals in den 80ern, genau deswegen das Handtuch geworfen.
Er hatte keine Chance gute Zeit mit mir zu verbringen.
Hallo! Vielen Dank für diese Homepage! Ich möchte aber auch an die vielen zerissenen Familien erinnern die einmal glücklich wenn auch NICHT verheiratet waren. Daß man heutzutage durch egoistische Ziele oder auch den Unwillen lösbare Probleme in den Griff zu bekommen und damit das Wohl der eigenen Familie zu zerstören ist aus meiner Sicht der größte Fehler der heutigen Zeit und ein deutliches Zeichen wie schlecht es um unsere ach so hoch entwickelte Wohlstands (=Wegwerf) Gesellschaft steht.
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